oder abergläubisch? Jedenfalls froh…and thanks for all the fish
Mit 27 hatte ich einen Traum, der mich damals und bis heute tief bewegt hat. Zweimal hat er sich bis vor der Diagnose wiederholt:
Ich spaziere mit meiner vierjährigen Tochter, ihrem Vater, meinen Eltern und meinem damaligen Geliebten durch den maigrünen Wald über einen buckeligen Pfad, immer entlang eines Flüsschens. Im Gespräch unter uns Erwachsenen wird klar, dass ich unheilbar krank bin. Mein Freund L sagt: „Du musst nur mit den Fischchen schwimmen, dann wirst Du wieder gesund.“
Also ziehe ich mich aus, steige ins Wasser und lasse mich einfach in der leichten Strömung neben dem Weg hertreiben. Mein keines Pünktchen winkt und hüpft neben mir her und bestimmt singt sie, denn das tat sie eigentlich immer und bis heute. Der Fischschwarm hatte seine Richtung geändert und schwamm entgegen der Strömung, dabei glitten die Fischchen auf meiner Haut an mir vorbei. Ich wachte mit dem Gefühl von glatter Fischhaut und seidigem Wasser auf meiner Haut auf und war total geflasht, wie real es sich anfühlte. Und ich wusste nach dem Aufwachen, dass ich gesund geworden war.
Immer wenn in Kroatien in der kleinen Bucht „unseres Dorfes“ Lukovo morgens ganz früh Hunderttausende Minisardinen am Ufer entlangjagen, denke ich an meinen Traum. Auch wenn ich dort oder auf Sizilien im Meer schwimme und schnorchle und mich tatsächlich die Fische neugierig umtanzen und ich ab und zu kurz von ihnen gestriffen werde, ist das ein Gänsehautmoment. Nein, ein Fischhautmoment.
Ich esse übrigens trotzdem gerne Fisch. Die innere Anwendung kann ja nicht schaden?!
Jedenfalls mussten jetzt Fische hier her, nach Hamburg, in meine Wohnung. Nein, kein Aquarium! In Ortigias berühmter fishhouseart Gallery, die sowohl Dekofische verkauft als auch Fischskulpturen von europäischen Künstler:innen ausstellt, hatte ich im März zwei Keramikfische erworben. Mit einem dritten überraschten mich meine Kinder zum Geburtstag. Alle drei hängen jetzt überm Küchentisch. Für meine übermorgen beginnende Chemotherapie hatte ich mir eine Art Abreißkalender gewünscht. Er kam heute per Post in Form eines gezeichneten Mandala-Fisches mit Schuppen zum Ausmalen Für jeden Tag der kommenden 4 Chemozyklen eine Fischschuppe. Ich hatte Tränen in den Augen, als ich den Kerl auspackte. Die Kinder hatten sich darauf verständigt, dass meine Mittlere ihn zeichnen durfte und ist er nicht hübsch geworden?

Und wie es so ist: Wenn man erstmal anfängt, füllt sich alles wie von Zauberhand. Es wird immer fischiger: Am Fenster tanzen jetzt die zaubhaften Quallen von Tea de Both, einer in ihrer kroatischen Heimat recht bekannten Filzkünstlerin. Jeden Sommer verbringt sie weit oben auf Cres im Dorf Lubenice. Dort verarbeitet sie Wolle zu wunderbaren Masken, kunstvollen Puppen und betreut nebenbei das kleine Schafmuseum. In ihrem Atelier erwarb ich vor ein paar Jahren diese kleinen Schönheiten.
Als nächstes riss der PVC Küchenfußboden an einer kleinen Stelle ein. Die wurde natürlich immer ein bisschen größer. Irgendwann entstand eine Art Triangel. Aber he! Eigentlich gündelte dort bei näherer Betrachtung ein kleiner Rochen. Den konnte zuerst nur ich sehen, aber seit ich ihn liebvoll colouriert habe, sehen ihn alle.
M streunert gerade durch lost places in Italien und schickt einen hübschen Graffito Fisch. Von dem Traum hab ich ihm übrigens noch nie erzählt. Ich drucke das Foto aus und hänge es als (bisher) einziges an den Kühlschrank.
Die Küche verwandelt sich nun doch in ein Aquarium. Ich tanze während es Kochens – gerne – mit den Fischchen und schreibe ihnen Heikraft zu. Vermutlich ist es jedoch das Sichtbarwerden lassen postiver, innerer Bilder, die den Heilungsprozess fördern. Zumindest machen sie mich sehr froh, meine Fischchen. Und ich staune ein weiteres Mal darüber, wie froh ich jeden Tag bin. Einfach so über kleine Dinge, denen ich Bedeutungen zuschreibe und einen Hauch Glitzer drüberstreue.
4 Antworten
In einem Rutsch gelesen. Schmerzhaft, aber so ehrlich warm und nah wie es deine Gabe ist, wenn du dich Menschen widmest und alles um dich herum ausblenden kannst. Nun widmest du dich dir. Zärtlich und verständnisvoll. Das berührt mich sehr.
Dank Dir, liebe Esther. Du triffst es genau. Selbstfürsorge in einem Frauenleben. Ist ja für Viele ein umfassendes Thema. Wozu wurde man als Mädchen (in meiner Generation) erzogen, welche Erwartungen stellt man an sich als Mutter, später oft als pflegende Angehörige) und wo blebt man selbst in all dem. Allerdings hatte ich gedacht, ich hätte meine Hausaufgaben gemacht. Vielleicht zu spät abgegeben? Fühlt sich jedenfalls manchmal ein bisschen nach Nachsitzen an. j.
“ Schenkst uns eine Glitzerschuppe, dafür danken wir. Viele kleine bunte Fische schwimmen jetzt umher und ein Funkeln und ein Glitzern strahlt durchs ganze Meer“
Danke liebe Judith, dass du deine Gefühle hier mit uns teilst! Dickes graues Herz
Na, dann will ich mal Glitzerpapier besorgen für die letzte Schuppe. Danke meine Liebe, dickes graues Herz zurück. j.