Morgens wache ich auf und brauche ein paar Momente. Dann fällt es mir wieder ein: Ich habe Krebs. Einen unheilbaren Krebs. Ich werde mit oder an diesem Krebs sterben. Mein Leben wird nicht so lange dauern, wie ich es im Innern vor(mir)gesehen hatte.
87 würde ich, hätte drei Kinder und drei Berufe. Drei Frauen durchkreuzten meine Beziehungen. Bisher ist alles eingetroffen, was mir die Wahrsagerin damals in der Braunschweiger Fußgängerzone prophezeit hatte. Lange hatte ich gerätselt, wer denn wohl diese ominöse dritte Frau sein könnte… inzwischen hat sich ja auch das geklärt. Die 87 ist aber definitiv falsch. Das kann ich wohl nicht schaffen.
Ich lese nach: Die relative 5-Jahres-Überlebensrate liegt für Frauen bei 54%.
Die Chancen, dass ich meinen 60. Geburtstag feiern werde, stehen also fifty fifty.
Wenn ich es durch die nächsten fünf Jahre schaffe, dann aller Voraussicht nach mit immer neuen behandlungspflichtigen Phasen, mit langen Durststrecken und in ständiger medizinischer Abhängigkeit.
Ich erinnere mich an „meine“ Krebspatientinnen und -patienten. Wie oft habe ich insgeheim gedacht: Ich würd keine Chemo (mehr) machen, lieber wenige Monate intensiv und selbstbestimmt leben. Alles machen, was ich mir immer gewünscht habe. In meinem Fall ist das reisen.
Warum und zu welchem Preis lohnt es sich, die Lebenszeit zu verlängern?
Ich schaue unzählige Videos zum Thema Sterben. Filme aus Hospizen. Beiträge zum Thema Sterbefasten. Videos über die Arbeit von Bestatter:innen. Keine Filme über ein Leben nach dem Tod. Aber über Nahtoderfahrungen. Als junge Frau habe ich unzählige Menschen beim Sterben begleitet. Ich konnte das wirklich gut. Alle auf meiner Station wussten das und es war klar, dass ich diejenige war, die ans Sterbebett ging, wenn es soweit war. Da ich quasi im Altersheim groß geworden bin, hat Sterben für mich schon immer zum Leben dazu gehört. Mein Vater leitete ein christliches Alten-und Pflegeheim mit 300 Bewohner:innen. Dort wurde täglich gestorben. Die Leichenwagen fuhren, wie die Lebensmittel-LKW, täglich auf den an unseren Garten angrenzenden Wirtschaftshof.
Ich muss das Ganze jetzt also nur noch mit mir übereinbringen. Und ab da wird’s schwierig.
Zunächst tauchen nämlich alle Erinnerungen an meine sterbende Stiefmutter auf. Wir, mein Vater, meine Schwester und ich haben sie zu Hause bis zu ihrem Tod gepflegt.
Was mir mein eigenes Sterben schwer machen wird, ist die emotionale Zumutung, vielleicht Überforderung meiner Kinder. Und dennoch würde ich gerne zu Hause sterben, nicht im Hospiz, im Krankenhaus schon gar nicht. Für mich persönlich gehören weder Geburten noch „reguläres“, absehbares Sterben ins Krankenhaus.
Ich versuche mir alles so detailliert wie möglich vorzustellen. Das mache ich ja immer so, wenn eine größere Aufgabe oder Anstrengung vor mir liegt: Visualisieren und mental trainieren. Wie lange ich wohl in der finalen Sterbephase brauchen werde? Was ich für Atemgeräusche von mir geben werde? Das finde ich an der ganzen Sterberei sowie so das Bedrückendste. Und das muss ich denen, die dann bei mir sei werden, zumuten.
Wann ich wohl zum letzten Mal etwas sagen werde? Was und zu wem?
Und schließlich, wie ich als Leiche aussehe, wie ich eingesargt werde, was die Bestatter mit mir machen, wie lange ich in meinem Sarg auf die Einäscherung warte und wie ich ins Feuer geschoben werde. Ich muss mir doch eigentlich keine Gedanken darüber machen? Ich werde von all dem ja nichts mehr mitbekommen. Vermutlich ist das so ein Kontrollding. Bestimmt ist es nicht verkehrt, mit einer Therapeutin darüber zu reden.
Je öfter sich diese Gedanken einstellen, desto vertrauter, normaler, realer werden sie. Sie werden nicht weniger beunruhigend, nicht weniger schwer. Ich werde so schwer. Seit Tagen beschäftige ich mich dem Tod. Ich weine um fremde junge Frauen, die längst tot sind, in ihren ersten Videos aber noch so hoffnungsvoll und kämpferisch waren, so schön und voller Pläne. Ich sehe meine Stiefmutter vor mir. Einige Bilder, die diese typischen Sätze aufrufen: Schau, da konnte sie noch … da haben wir noch…da war sie noch so gut drauf, dass sie lästern konnte. Das geht ja allen Menschen so, die sich an einen verstorbenen Anghörigen erinnern. Wann werden meine Kinder, meine Freundinnen einander diese Sätze über mich sagen? Erinnerst Du Dich: Da hat sie uns noch alles aus der Hand gerissen, weil sie immer alles lieber schnell selber machen wollte. Verflucht, ich merke, dass ich um mich weine, nicht um die Femden in den Videos. Und dann kippt das Ganze plötzlich: Ich BIN ja noch. Und deswegen sollen alle Blog-Einträge ein „sein“ in die Überschrift bekommen. Endlich sein. Kann man so oder so lesen. Ich werde so viel sein in den nächsten Tagen, Wochen, Monaten, Jahren wie irgend möglich, denn ich bin endlich.
6 Antworten
परिपक्व अश्लील देखो
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