Die Transfusionsmedizin des UKE befindet sich zwar im Erdgeschoss, ich fühle mich aber trotzdem eher wie in einem Kellergang, so in die Jahre gekommen ist die Abteilung. Ein Stiefkind, denke ich. Selbst in der Strahlentherapie, die sich tatsächlich im Keller befindet, sieht es heller und freundlicher aus.
Über einer Tür steht Patientenanmeldung. Ich klopfe an die Milchglastür und weil niemand antwortet, öffne ich sie vorsichtig und stehe direkt am Patientenbett. Darin ein Herr, aus dessen Armen zwei blutgefüllte Schläuche zu einer Maschine laufen. Dahinter ebenfalls quer zur Tür eine weiterer Patient im Bett.
Irritiert entschuldige ich mich und will die Tür wieder schließen, als eine resolute Krankenschwester mich nach meinem Namen fragt. Ich bekomme ein Klemmbrett mit Aufklärungsbögen in die Hand gedrückt und darf zum Lesen auf dem Gang Platz nehmen.
Ein junger Mann poltert mit drei riesigen Tiefkühlbehältern an mir vorbei. Überall stehen Kartons. Ungastliches Gerümpel, heruntergekommenes Mobiliar. Alles in allem weder einladend noch vertrauenserweckend. Eher Transsilvanien als Transfusion, denke ich, und das in einem der medizinischen Hochleistungszentren unseres Landes. Jedenfalls denke ich an Vampire. Radiologie erzielt andere Gewinne und kann sich großformatige Fotografien in den Fluren leisten und einen Kaffeeautomat, an dem sich Patientinnen und Patienten wie Mitarbeitenden umsonst bedienen dürfen. Hier unten sitzen wohl eher die Nerds.
Ich lese die sehr ausführliche Schilderung der Stammzellapharese. Das Procedere ist vor allen Dingen in seiner Vorbereitung aufwendig. Und da das zum größten Teil an der sorgfältigen Mitarbeit der Patientinnen liegt, ist der Aufklärungstext tatsächlich verständlich formuliert. Eine junge Ärztin bittet mich schließlich wieder herein, wieder vorbei an den fremden Patienten in ein kleines Arbeits- und Durchgangszimmer. Hinter einer weiteren geöffneten Tür liegen noch zwei Männer an den Geräten. Vier Stunden in Rückenlage dauere die Apharese, so der Fachausdruck, im UKE sprechen sie gerne von Zellseparation. Die Ärztin erläutert mir ca. dreißig Minuten mit einer Engelsgeduld, was in den nächsten vierzehn Tagen mit mir passieren wird. Ich frage mich, wie oft sie diesen Text wohl sprechen muss pro Woche. Zunächst bekomme ich, am kommenden Freitag, in der onkologischen Ambulanz, eine Chemotherapie mit Cyclophosphamid. Dieses Zytostatikum kennt mein Körper schon aus der vorangegangenen Induktionstherapie. Jetzt wird es allerdings wesentlich höher dosiert und dazu führen, dass meine Stammzellen aus dem Knochenmark in die peripheren Blutbahnen wandern. Nebenbei auch zu wirklichem Haarausfall. Ab dem darauffolgenden Dienstag muss ich mir jeden Abend einen Wachstumsfaktor spritzen, der ebenfalls in meine Blutbildung eingreift und Stammzellen aus dem Knochenmark lockt. Mein ganzes Blutbild wird also gezielt verschoben. Weitere sechs Tage später wird die Ärztin mir sehr früh morgens Blut abnehmen und auszählen, wie viele Stammzellen sich im Blut befinden. wenn es genug sind, werde ich an die Maschine angeschlossen, wenn es noch nicht reicht, spritze ich weiter und komme jeden Morgen zur Blutentnahme.
Am Ende des Gesprächs verrät sie mir, dass der junge Mann am Fenster kein eigentlicher Patient ist, sondern Spender, für einen Menschen, der nicht mit seinen eigenen Stammzellen behandelt werden kann. Ich selbst war jahrzehntelang bei der DKMS als potentielle Spenderin registriert. Das eine Mal, das ich hätte spenden sollen, war ich schwanger und fiel aus.
Auf Nachfrage verrät sie mir auch, dass sie pro Woche ca. 80 Patientinnen und Patienten durchschleusen. Sie teilt sich die Arbeit mit einem Kollegen. Also ca. 40 Aufklärungsgespräche pro Woche. Ich bewundere ihre freundliche Bezogenheit. Ein weiblicher Nerd, mit Sicherheit brennt sie für ihre Forschung und für die phantastischen Möglichkeiten der modernen Medizin. Ein Lichtblick in diesem unwirtlichen Trakt der Klinik.
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